Phytopathologe Prof. Remco Stam im Interview über das Potenzial neuer genomischer Techniken (NGTs) – und warum veraltete Regelungen den Fortschritt ausbremsen.

Wo sehen Sie das größte Potenzial für die NGTs?

Das Potenzial der neuen genomischen Techniken liegt für mich vor allem darin, dass man gezielt einzelne Gene editieren kann und nicht mehr viel Zeit braucht, um immer wieder zu kreuzen und rückzukreuzen. Wenn man klassisch kreuzt, hat man ja die Hälfte des Erbguts vom Vater und die andere Hälfte von der Mutter. Aber vielleicht will man drei Viertel der Eigenschaften vom Vater oder der Mutter – oder umgekehrt. Das heißt, man muss dann nochmals zurückkreuzen und neu kombinieren.

Wenn wir über diese quantitativen Merkmale sprechen, so wie ich sie erforsche, dann muss man wahrscheinlich noch über viel mehr Generationen und viel länger rückkreuzen, bis man wirklich alle Eigenschaften hat, die man braucht – also Dürreresistenz, einen guten Ertrag, schöne Früchte usw. Und das dauert einfach viel zu lange. So viel Zeit haben wir nicht, wenn wir den Einsatz von Pestiziden reduzieren möchten.

Wofür können NGTs angewendet werden?

In der Forschung sieht man eigentlich, dass diese neue Methode schon für fast jede Eigenschaft angewendet wird – für Trockenresistenz, Hitzetoleranz, Krankheitsresistenz, für alles. Im Labor ist diese Methode so etabliert, dass sie fast routinemäßig anwendbar ist.

Was für Pflanzeneigenschaften würden Sie gerne bis zur Marktreife entwickelt sehen?

Ich bin Phytopathologe, was für mich natürlich am wichtigsten und am interessantesten ist, sind Krankheitsresistenzen. Und vor allem Krankheitsresistenzen, bei denen wir wissen, dass sie auch einigermaßen klimatolerant sind. Also eine Resistenz, die auch bei Dürreperioden, heftigen Gewittern oder anderen Extremen nicht versagt. Das möchte ich gerne auf dem Markt sehen.

Welche Produkte sehen Sie schon heute auf dem Markt und würden Sie gerne angebaut sehen?

Ich würde sehr gerne sehen, dass wir die CRISPR-Methode anwenden und wirklich dauerhaft resistente Pflanzen züchten können – egal ob Kartoffel, Tomate oder Weizen. Diese Methode wird in der Forschung schon so breit eingesetzt, dass man sie den Landwirten nicht vorenthalten sollte.

Ich wünsche mir, dass die Regelungen allgemein etwas angepasst oder zumindest neu betrachtet werden.

Wir sollten darauf achten, welche Merkmale hier verändert werden – und wenn das hilfreiche Merkmale sind, die wirklich etwas bringen, den Landwirten helfen und der Gesundheit der Menschen dienen, dann sollten wir diese Technik auch zulassen.

 

Wie beeinflusst die aktuelle Regulierung von NGT die Forschung?

Meine Kollegin und ich können zum Beispiel in Deutschland eigentlich keine Freilandversuche machen. Nur, wenn man unter kontrollierten Bedingungen Freilandversuche durchführt, kann man wirklich bestätigen, dass das, was man erforscht, auch funktioniert. Solche Dinge – die Hemmung durch Bürokratie, die Unmöglichkeit von Feldversuchen – machen alles sehr langsam.

Was ich mir als Erstes wünsche, ist eine Entbürokratisierung. Und dann brauchen wir natürlich ein klares Signal aus der Politik – dass sie wirklich wollen, den Mut haben, neue innovative Methoden anzuwenden, selbst Versuche zu ermöglichen und dann auch Unterstützung geben, damit es zur Marktreife kommt und die Landwirte wirklich davon profitieren können.

Was ist Ihr Appell an die Regierung?

Hören Sie auf die Wissenschaft. Denn eigentlich ist es wissenschaftlich längst bewiesen: Mit dieser Methode können wir die Pflanzenzüchtung beschleunigen, neue Eigenschaften erzeugen – und damit Vorteile für Landwirte, Umwelt und am Ende auch für die Konsumenten schaffen.

Was gibt Ihnen Hoffnung für zukünftige Forschung?

Ich glaube, die Debatte hat wieder ein wenig neues Leben bekommen, und ich bin hoffnungsvoll. Es ist wirklich wichtig, den Menschen zu zeigen, dass diese Methode an sich nicht gefährlich ist. Es kommt darauf an, welche Gene man anpasst, welche man editiert. Wenn ich eine Pflanze so verändere, dass sie krankheitsresistent oder hitzetolerant ist – und sonst keine anderen Eigenschaften verändert wurden – dann verstehe ich nicht, warum das verboten werden sollte.

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