Das europäische Gentechnikrecht im Überblick

Alle gentechnisch veränderten Pflanzen (GVOs), zu denen nach aktueller Regelung auch Pflanzen zählen, die mit neuen genomischen Techniken verbessert wurden (NGTs), müssen ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen, bevor sie in der EU auf den Markt gebracht werden dürfen. Das gilt sowohl für importierte landwirtschaftliche Rohstoffe, die außerhalb der EU geerntet wurden, als auch für Saatgut, das für den Anbau in der EU vorgesehen ist. Jeder Zulassung geht eine ausführliche Sicherheitsbewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) voraus. Danach folgt der politische Entscheidungsprozess, an dem die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten beteiligt sind.

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Import vs. Anbau: Europas widersprüchlicher Umgang mit GVOs

Weltweit bauen rund 18 Millionen Landwirte GV-Pflanzen an – für höhere Erträge, verbesserte Qualität und eine effizientere Ressourcennutzung (Quelle). In der EU ist der Anbau hingegen weitgehend untersagt, obwohl sie zu den größten Importeuren von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus GVOs gehört. Allein in Deutschland stammen rund 70 Prozent der eiweißreichen Futtermittel aus Importen, meist auf Basis von GVOs. (Quelle)

Risiken für die europäische Tierproduktion

Die europäische Tierhaltung ist auf pflanzliche Proteinimporte – insbesondere GV-Soja – angewiesen: Rund 74 Prozent der eiweißreichen Futtermittel werden importiert, die meisten davon gentechnisch verändert (Quelle). Ohne diese Importe wären Wettbewerbsfähigkeit und Versorgung gefährdet. Konventionelle Alternativen sind teuer und bleiben Nischenprodukte – vor allem für die ökologische Landwirtschaft.

Die langwierigen EU-Zulassungsverfahren verschärfen diese Lage: Verzögerungen gefährden Handelsströme und die Futtermittelversorgung. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Schäden könnten sich auf bis zu 9,6 Milliarden Euro jährlich belaufen.

GV-Soja und -Mais sind Standard

Vor 20 Jahren wurden die ersten gentechnisch veränderten Mais- und Sojapflanzen geerntet. Seitdem hat sich der Anbau von GV-Pflanzen weltweit rasch verbreitet, da sie den Landwirten höhere Erträge bringen und gleichzeitig helfen, Ressourcen wie Land, Wasser und Energie einzusparen. Das führt zu wirtschaftlichem Nutzen in allen Phasen der Lebensmittelerzeugung und für die Verbraucher.

Sicherheit von GVOs – Wissenschaftlich belegt

Vor ihrer Markteinführung durchlaufen alle GV-Pflanzen eine strenge und kostspielige Sicherheitsprüfung. In der EU wird diese Bewertung von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) durchgeführt, die die Pflanzen streng auf mögliche Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt prüft. (Quelle)

Seit gut 30 Jahren belegen Daten die Sicherheit von GVOs

(Quelle). Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und andere zuständige Behörden in Industrieländern haben wiederholt festgestellt, dass GV-Pflanzen mindestens ebenso gesund und nahrhaft sind wie konventionell gezüchtete Pflanzen. Bereits 2013 fand ein Review von 1.783 wissenschaftlichen Publikationen keinerlei Hinweise auf signifikante Gefahren im Zusammenhang mit der Verwendung von gentechnisch veränderten Kulturpflanzen (Quelle). Daran hat sich auch nach weiteren zehn Jahren nichts geändert (Quelle). Weltweit haben Verbraucher bereits Billionen von Mahlzeiten verzehrt, die aus sicheren und kostengünstigen GV-Rohstoffen hergestellt wurden.

Lange Zulassungsverfahren und hohe Kosten – Kein Anreiz für Innovation

Trotz der derzeitigen Bestrebungen, die Produktion von pflanzlichen Proteinen in der EU zu steigern, schreiten diese Bemühungen nicht schnell genug voran und reichen absehbar nicht aus, um die Importe zu kompensieren.

Die gesetzliche Frist für die Durchführung der Risikobewertung von sechs Monaten wird erheblich überschritten: die EFSA braucht im Durchschnitt mehr als vier Jahre. Das ist viermal länger als die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) durchschnittlich benötigt, um die Zulassung von Humanarzneimitteln zu prüfen. (Quelle)

In den Vereinigten Staaten dauert das vergleichbare Zulassungsverfahren für eine GVO-Einfuhrgenehmigung weniger als zwei Jahre, in Australien und Neuseeland weniger als ein Jahr und in Kanada weniger als sechs Monate. (Quelle)

Kosten und Wartezeiten steigen seit über einem Jahrzehnt an

Aktuelle Zahlen der EU-Import-Genehmigung für GV-Pflanzen:

Geschätzte Kosten 11 – 16,7 Millionen €
Vom Einreichen des Antrags bis zur rechtsgültigen Zulassung vergehen aktuell ca. fünf Jahre …

… Das ist nur der Import. Das System für Anbaugenehmigungen funktioniert noch weniger. (Quelle)

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Risikobewertung und -management

In einer ausführlichen Risikobewertung prüft die EFSA die Auswirkungen des GV-Produkts auf die Gesundheit von Mensch und Tier. Im Durchschnitt dauert diese Bewertung vier Jahre.

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In der Regel sollen die EU-Mitgliedstaaten drei Monate nach der Veröffentlichung eines positiven EFSA-Gutachtens entscheiden, ob das Produkt für den Binnenmarkt zugelassen wird. Diese Phase des Risikomanagements wird jedoch in der Regel deutlich überschritten. (Quelle)

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Kosten und Fristen für die Genehmigung von GVOs in der EU kommen einem Verbot gleich

Bis eine genetisch veränderte Kulturpflanze zur Verwendung zugelassen wird, dauert es in Europa im Schnitt 5 Jahre. (Quelle)

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Die regulatorische Belastung ist unverhältnismäßig hoch …

Im Vergleich zu anderen regulierten Produkten bedeutet das:

  • Mehr als siebenmal so lange Wartezeiten wie bei einer EU-Genehmigung für Humanarzneimittel
  • Teurere und langwierigere Zulassungsverfahren als für andere Agrarprodukte

6,2 Jahre

3,3 Jahre

0,8 Jahre

Erforderlich ist eine Modernisierung

des EU-Zulassungsverfahrens durch eine sinnvolle Vereinfachung insbesondere der Risikobewertung (EFSA) und eine verbesserte Umsetzung des Risikomanagements (EU-Staaten / SCoPAFF). Dafür muss Deutschland sich in den zuständigen Gremien (EFSA Foren, SCoPAFF) für ein effizientes und rasches Zulassungsverfahren für den Import von GV-Pflanzen in die EU unter Einhaltung der gesetzlich vorgesehenen Fristen einsetzen. Dies vermeidet Unsicherheiten für die Akteure der Wertschöpfungskette und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. (Quelle)

Offene und resiliente Märkte sind besonders wichtig mit Blick auf die gegenwärtige geopolitische Situation, in der die Ernährungsunsicherheit, die Auswirkungen des Klimawandels und Verteilungsprobleme die globale Lebensmittelversorgungskette gefährden können. Die langen Zulassungsverfahren in der EU führen zu asynchronen Zulassungssituationen in den Ländern, die miteinander handeln und gefährden so die Resilienz der Lieferketten. (Quelle)

Anbau: Opt-Out-Regelung – Flickenteppich Europa

Eine GV-Pflanze muss nach dem derzeitigen Stand des Wissens genauso sicher sein wie eine konventionelle Vergleichspflanze. Ihre Nutzung – das betrifft Anbau, Verarbeitung und Verzehr – darf keine schädlichen Auswirkungen mit sich bringen, weder für die Gesundheit von Menschen und Tieren noch für die Umwelt. Ist das nicht der Fall oder konnten nicht alle Zweifel ausgeräumt werden, ist die Genehmigung zu versagen. Aber selbst wenn die zuständigen europäischen Behörden die Sorten positiv beurteilen, d.h. Anbau, Verarbeitung und Verzehr für genauso sicher erachten wie bei einer konventionellen Vergleichssorte und daher eine Zulassung erteilen, kann seit 2015 jeder Mitgliedstaat der EU den Anbau zugelassener gentechnisch veränderter Pflanzen bei sich verbieten. 

Diese so genannte Opt-out-Regelung ermöglicht nationale Anbauverbote aus sozioökonomischen, landwirtschaftspolitischen oder kulturellen Gründen. Vor einem förmlichen Verbot können sich die betreffenden Länder jedoch mit den Antragstellern in einem gesonderten Verfahren darauf verständigen, dass ihr Land nicht in den Geltungsbereich der EU-Anbauzulassung einbezogen wird. Derzeit gelten die EU-Zulassungen für den Anbau von einer Vielzahl von Gentechnikpflanzen daher in 17 EU-Ländern nicht. (Quelle)

Das hat seinen Preis – so ist es wenig überraschend, dass …

  • EU-Landwirt:innen keinen fairen Zugang zu gentechnisch veränderten Kulturen haben,
  • derzeit nur eine einzige EU-Zulassung für den Anbau von GV-Pflanzen existiert und diese Zulassung aus dem Jahr 1998 stammt,
  • andere Zulassungsanträge für den Anbau trotz mehrfacher Bestätigungen der Produktsicherheit seit über 15 Jahren auf ihre Genehmigung warten,
  • die Zulassungsanträge für den Anbau vieler Innovationen daher mittlerweile zurückgezogen wurden,
  • Unternehmen ihre Anstrengungen in der Produktentwicklung nun auf andere Teile der Welt konzentrieren.

Für die Zukunft

Obwohl die Sicherheit von gentechnisch veränderten Pflanzen durch jahrzehntelange Forschung und praktischen Anbau wissenschaftlich belegt ist, lehnen Kritiker diese kategorisch ab. Für eine globale Ernährungssicherung brauchen Landwirte jedoch Zugang zu Innovationen und einen gut gefüllten Werkzeugkasten. Bei einem global steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln, zunehmenden Ernteeinbrüchen durch Klimawandel und Schädlinge sowie einer zunehmenden Verknappung der natürlichen Ressourcen können wir auf das Potenzial der Pflanzenbiotechnologie für eine nachhaltigere und effizientere Landwirtschaft nicht verzichten.

Auf unserem Blog, auf LinkedInX und Bluesky teilen wir regelmäßig Informationen und Neuigkeiten rund um die Pflanzenbiotechnologie.

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